39. Rechtsstreitigkeiten
Die Volkswagen AG und die Unternehmen, an denen sie unmittelbar oder mittelbar Anteile hält, sind national und international an einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und behördlichen Verfahren beteiligt. Solche Rechtsstreitigkeiten und Verfahren treten unter anderem im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen oder im Verhältnis zu Arbeitnehmern, Behörden, Händlern, Investoren, Kunden, Lieferanten oder sonstigen Vertragspartnern auf. Für die daran beteiligten Gesellschaften können sich hieraus Zahlungen wie zum Beispiel Bußgelder sowie andere Verpflichtungen und Folgen ergeben. Insbesondere können erhebliche Schadensersatz- oder Strafschadensersatzzahlungen zu leisten sein und kostenintensive Maßnahmen erforderlich werden. Dabei ist es häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, die objektiv drohenden Auswirkungen konkret einzuschätzen.
Weltweit sind, insbesondere in den USA, verschiedene Verfahren anhängig, in denen Kunden vermeintliche produktbezogene Ansprüche einzeln oder im Wege von Sammelklagen geltend machen. Diese Ansprüche werden regelmäßig mit behaupteten Mängeln an Fahrzeugen – einschließlich der dem Volkswagen Konzern zugelieferten Fahrzeugteile – begründet.
Darüber hinaus können sich Risiken im Zusammenhang mit der Einhaltung von gesetzlichen beziehungsweise regulatorischen Anforderungen ergeben. Dies gilt insbesondere auch im Falle von Wertungsspielräumen, bei denen es zu abweichenden Auslegungen durch Volkswagen und die jeweils zuständigen Behörden kommen kann.
Die Gesellschaften des Volkswagen Konzerns stehen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit in kontinuierlichem Austausch mit Behörden, unter anderem mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Wie Behörden gewisse tatsächliche und rechtliche Fragestellungen im Einzelfall bewerten werden, kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Daher kann auch letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere bestimmte Fahrzeugeigenschaften und/oder Typgenehmigungsaspekte bemängelt oder als unzulässig bewertet werden könnten. Dies ist grundsätzlich eine Frage der konkreten behördlichen Bewertung im Einzelfall.
Eine vergleichbare Herausforderung ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen divergierenden nationalen beziehungsweise internationalen gesetzlichen oder regulatorischen Vorgaben hinsichtlich der Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen oder Dokumenten auf der einen und nationalen beziehungsweise internationalen datenschutzrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite. Um Rechtsverstöße trotz der teils unklaren Rechtslage bestmöglich auszuschließen, wird Volkswagen von externen Kanzleien zu diesen Fragestellungen beraten.
Ferner können Rechtsverfahren aus Forderungen nach umfangreicheren Klimaschutzleistungen oder im Zusammenhang mit angeblich unvollständigen Angaben zu den Auswirkungen des Klimawandels resultieren. Der Volkswagen Konzern begegnet dem Risiko unter anderem durch Zertifizierung seiner selbst gesetzten Dekarbonisierungsziele mittels unabhängiger und international anerkannter Organisationen und durch konsequente Ausrichtung seiner nichtfinanziellen Berichterstattung an gesetzlichen Anforderungen und denen des Kapitalmarkts.
Risiken können sich auch aus Verfahren ergeben, in denen die Verletzung geistiger Eigentumsrechte einschließlich Patente, Marken oder anderer Drittrechte vor allem in Deutschland, vor dem Einheitlichen Patentgericht und in den USA geltend gemacht werden. Sollte der Vorwurf erhoben oder die Feststellung getroffen werden, Volkswagen habe geistige Eigentumsrechte Dritter verletzt, könnte Volkswagen etwa zur Leistung von Schadensersatz, Änderung von Fertigungsverfahren, Umgestaltung von Produkten oder Unterlassung des Vertriebs bestimmter Produkte verpflichtet werden, was Liefer- und Produktionsbeschränkungen oder -unterbrechungen zur Folge haben kann.
Des Weiteren können sich aus kriminellen Handlungen Einzelner, die selbst das beste Compliance-Managementsystem niemals vollständig ausschließen kann, Rechtsrisiken ergeben.
Soweit überschaubar und wirtschaftlich sinnvoll, wurden zur Absicherung dieser Risiken in angemessenem Umfang Versicherungen abgeschlossen. Für bekannte und entsprechend bewertbare Risiken wurden auf Basis des derzeitigen Kenntnisstands, soweit erforderlich, angemessen erscheinende Rückstellungen gebildet beziehungsweise Angaben zu Eventualverbindlichkeiten gemacht. Da einige Risiken nicht oder nur begrenzt einschätzbar sind, ist nicht auszuschließen, dass gleichwohl wesentliche Schäden eintreten können, die durch die versicherten beziehungsweise zurückgestellten Beträge nicht gedeckt sind. Dies gilt beispielsweise hinsichtlich der Einschätzung zu den Rechtsrisiken aus der Dieselthematik.
Im Rahmen der berichteten Rechtsverfahren genannte Beträge bezeichnen, wenn nicht ausdrücklich anders beschrieben, nur die jeweilige Hauptforderung. Nebenforderungen, wie zum Beispiel etwaige Zinsen und Prozesskosten, werden grundsätzlich nicht berücksichtigt.
Dieselthematik
Am 18. September 2015 veröffentlichte die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency – EPA) eine „Notice of Violation“ und gab öffentlich bekannt, dass bei Abgastests an bestimmten Fahrzeugen mit 2.0 l Dieselmotoren des Volkswagen Konzerns in den USA Unregelmäßigkeiten bei Stickoxid (NOx)-Emissionen festgestellt wurden. In diesem Zusammenhang informierte die Volkswagen AG darüber, dass bei Dieselmotoren des Typs EA 189 auffällige Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt wurden und dieser Motortyp weltweit in rund elf Millionen Fahrzeugen verbaut worden sei. Am 2. November 2015 gab die EPA mit einer „Notice of Violation“ bekannt, dass auch bei der Software von US-Fahrzeugen mit Dieselmotoren des Typs V6 mit 3.0 l Hubraum Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
Die sogenannte Dieselthematik hatte ihren Ursprung in einer – nach Rechtsauffassung der Volkswagen AG nur nach US-amerikanischem Recht unzulässigen – Veränderung von Teilen der Software der betreffenden Motorsteuerungseinheiten für das seinerzeit von der Volkswagen AG entwickelte Dieselaggregat EA 189. Diese Softwarefunktion wurde ab 2006 ohne Wissen der Vorstandsebene entwickelt und implementiert. Vorstandsmitglieder hatten bis zum Sommer 2015 keine Kenntnis von der Entwicklung und Implementierung dieser Softwarefunktion erlangt.
Auch gibt es keine Erkenntnisse, dass den für die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014 verantwortlichen Personen im Nachgang zur Veröffentlichung der Studie des International Council on Clean Transportation im Mai 2014 ein nach US-amerikanischem Recht unzulässiges „Defeat Device“ als Ursache der hohen NOx-Emissionen bei bestimmten US-Fahrzeugen mit 2.0 l Dieselmotoren des Typs EA 189 offengelegt wurde. Vielmehr war die Erwartung der für die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014 verantwortlichen Personen zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014, dass die Thematik mit vergleichsweise geringem Aufwand zu beheben sei. Im Laufe des Sommers 2015 wurde für einzelne Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG sukzessive erkennbar, dass die Auffälligkeiten in den USA durch eine Veränderung von Teilen der Motorsteuerungssoftware verursacht wurden, welche später als nach US-amerikanischem Recht unzulässiges „Defeat Device“ identifiziert wurde. Dies mündete in der Offenlegung eines „Defeat Device“ durch Volkswagen gegenüber der EPA und dem California Air Resources Board (CARB) – einer Einheit der Umweltbehörde des US-Bundesstaates Kalifornien – am 3. September 2015. Die in der Folge zu erwartenden Kosten für den Volkswagen Konzern (Rückrufkosten, Nachrüstungskosten und Strafzahlungen) bewegten sich nach damaliger Einschätzung der verantwortlichen, mit der Sache befassten Personen nicht in einem grundlegend anderen Umfang als in früheren Fällen, in die andere Fahrzeughersteller involviert waren, und erschienen deshalb mit Blick auf die Geschäftstätigkeit des Volkswagen Konzerns insgesamt beherrschbar. Diese Beurteilung der Volkswagen AG fußte unter anderem auf der Beratung einer in den USA für Zulassungsfragen beauftragten Anwaltssozietät, wonach ähnlich gelagerte Fälle in der Vergangenheit mit den US-Behörden einvernehmlich gelöst werden konnten. Die am 18. September 2015 erfolgte Veröffentlichung der „Notice of Violation“ durch die EPA, die für den Vorstand vor allem zu diesem Zeitpunkt unerwartet kam, ließ die Lage sodann völlig anders erscheinen.
Auch die seinerzeit amtierenden Vorstandsmitglieder der AUDI AG haben erklärt, dass sie bis zur „Notice of Violation“ durch die EPA im November 2015 keine Kenntnis von dem Einsatz einer nach US-amerikanischem Recht unzulässigen „Defeat Device Software“ in 3.0 l TDI-Motoren des Typs V6 hatten.
Innerhalb des Volkswagen Konzerns trägt die Volkswagen AG die Entwicklungsverantwortung für die Vierzylinder-Dieselmotoren und die AUDI AG trägt die Entwicklungsverantwortung für die Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren.
Als Folge der Dieselthematik wurden in verschiedenen Ländern zahlreiche gerichtliche und behördliche Verfahren eingeleitet. Zwischenzeitlich ist es Volkswagen gelungen, wesentliche Fortschritte zu erzielen und zahlreiche Verfahren zu beenden. In den USA erzielten die Volkswagen AG und bestimmte verbundene Unternehmen Vergleichsvereinbarungen mit verschiedenen Regierungsbehörden sowie mit diversen Privatklägern, die in einer im US-Bundesstaat Kalifornien anhängigen „Multidistrict Litigation“ durch ein sogenanntes Steuerungskomitee (Plaintiffs‘ Steering Committee) vertreten waren. Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich unter anderem um diverse Partial Consent Decrees sowie ein Plea Agreement, mit denen bestimmte zivilrechtliche Ansprüche sowie strafrechtliche Forderungen nach US-amerikanischem Bundesrecht und dem Recht einzelner Bundesstaaten im Zusammenhang mit der Dieselthematik beigelegt wurden. Obwohl Volkswagen fest zur Erfüllung der sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen entschlossen ist, ist eine Verletzung dieser Verpflichtungen nicht vollständig auszuschließen. Eine etwaige Verletzung könnte nach Maßgabe der Vereinbarungen signifikante Strafen nach sich ziehen sowie gegebenenfalls weitere Geldbußen, strafrechtliche Sanktionen und Unterlassungsverpflichtungen.
Der Volkswagen Konzern stellt weltweit für nahezu alle Dieselfahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189 in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Behörden technische Maßnahmen zur Verfügung. Das KBA hat für sämtliche Cluster (Fahrzeuggruppen) innerhalb seiner Zuständigkeit festgestellt, dass mit der Umsetzung der technischen Maßnahmen keine nachteiligen Veränderungen hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs, der CO2-Emissionen, der Motorleistung, des maximalen Drehmoments und der Geräuschemissionen verbunden sind.
Anknüpfend an die Untersuchungen der AUDI AG von relevanten Dieselkonzepten auf etwaige Unregelmäßigkeiten und Nachrüstungspotenziale hat das KBA von der AUDI AG vorgeschlagene Maßnahmen in verschiedenen Rückrufbescheiden zu Fahrzeugmodellen mit V6 und V8 TDI-Motoren aufgegriffen und angeordnet. Die AUDI AG geht weiterhin von insgesamt überschaubaren Kosten für das seit Juli 2017 laufende überwiegend softwarebasierte Nachrüstprogramm inklusive des auf Rückrufen basierenden Umfangs aus und hat eine entsprechende bilanzielle Risikovorsorge gebildet. Seitens der AUDI AG wurden inzwischen für viele betroffene Aggregate Softwareupdates entwickelt und nach erfolgter Freigabe durch das KBA bereits in einem Großteil der Fahrzeuge der betroffenen Kunden umgesetzt. Für die wenigen noch ausstehenden Softwareupdates wird eine Freigabe vom KBA noch erwartet.
Mögliche Auswirkungen auf die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage von Volkswagen können sich im Zusammenhang mit der Dieselthematik im Wesentlichen in den folgenden Rechtsgebieten ergeben:
1. Straf- und Verwaltungsverfahren weltweit (exklusive USA/Kanada)
In einigen Ländern sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren/Ordnungswidrigkeitenverfahren und/oder Verwaltungsverfahren eröffnet worden. Der Kernsachverhalt der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird von den Staatsanwaltschaften in Braunschweig und München ermittelt.
Im Januar 2021 stellte das Landgericht Braunschweig das Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation im Hinblick auf kapitalmarktrechtliche Informationspflichten im Zusammenhang mit der Dieselthematik gegen einen ehemaligen Vorsitzenden des Vorstandes vorläufig und das entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren betreffend die Volkswagen AG endgültig ein. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig nahm das Landgericht Braunschweig im Dezember 2023 das Verfahren gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Vorstandes wieder auf. Dieses Verfahren wird fortgeführt; ein Termin für den Beginn der Hauptverhandlung wurde vom Landgericht Braunschweig noch nicht bestimmt.
Im September 2020 ließ das Landgericht Braunschweig die Anklage gegen denselben ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG unter anderem wegen des Vorwurfs des Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselthematik betreffend Motoren des Typs EA 189 zu. Das Verfahren gegen diesen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG wurde zwischenzeitlich abgetrennt. Die Verhandlung gegen die weiteren Angeklagten begann im September 2021.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig führte Ermittlungen wegen des Verdachts des Betrugs im Zusammenhang mit Motoren des Typs EA 288. Das Verfahren gegen die beschuldigten Mitarbeiter sowie die Volkswagen AG wurde Ende 2022 beziehungsweise Anfang 2023 gegen drei Beschuldigte gegen Zahlung einer Geldauflage endgültig und gegen vier Beschuldigte vorläufig eingestellt.
Das Landgericht München II hatte im Juni 2020 die Anklage der Staatsanwaltschaft München II auch gegen einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der AUDI AG unter anderem wegen des Vorwurfs des Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselthematik betreffend 3.0 l und 4.2 l TDI-Motoren im Wesentlichen unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht München II wurde im Juni 2023 abgeschlossen und der ehemalige Vorstandsvorsitzende der AUDI AG wie auch die weiteren beiden Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. Als Bewährungsauflagen wurden unter anderem Geldauflagen festgesetzt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Alle drei Angeklagten legten Revision ein. Die Staatsanwaltschaft legte hinsichtlich des Urteils gegen einen Angeklagten ebenfalls Revision ein. Gegen einen weiteren ehemals Angeklagten hatte das Landgericht München II das Verfahren im April 2023 gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Im August 2020 erhob die Staatsanwaltschaft München II eine weitere Anklage auch gegen drei ehemalige Vorstandsmitglieder der AUDI AG unter anderem wegen des Vorwurfs des Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselthematik betreffend 3.0 l und 4.2 l TDI-Motoren. Über deren Zulassung hat das Landgericht München II noch nicht entschieden.
Das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde untersucht zudem fortlaufend Fahrzeugmodelle der Marken Audi, Volkswagen und Porsche auf kritische Funktionen. Sofern das KBA bestimmte Funktionen als unzulässig betrachtet, werden die betroffenen Fahrzeuge im Wege einer angeordneten Maßnahme zurückgerufen oder deren Konformität in einer freiwilligen Serviceaktion wieder hergestellt.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteilen aus Juli und November 2022, dass ein sogenanntes Thermofenster (eine temperaturabhängige Abgasrückführung) im Bereich zwischen 15°C und 33°C Außentemperatur eine Abschalteinrichtung darstellt. In diesem Zusammenhang entwickelte der EuGH ein neues, ungeschriebenes Kriterium, wonach ein Thermofenster, selbst wenn es dazu dient, plötzliche und außergewöhnliche Schäden zu verhindern, dann unzulässig ist, soweit es den „überwiegenden Teil eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen“ aktiv ist. Das KBA leitete in Bezug auf bestimmte Motoren des Typs EA 896 der ersten und zweiten Generation, die in bestimmten älteren Fahrzeugmodellen eingesetzt wurden, sowie in Bezug auf einzelne Fahrzeugmodelle mit Motoren des Typs EA 189 formelle Verwaltungsverfahren ein. Im Juli und Oktober 2023 erließ das KBA zwei Bescheide gegen die AUDI AG, in denen es feststellte, dass die ursprünglich integrierte Version der Thermofenster in einigen der betroffenen Fahrzeuge das neue verkehrstechnische EuGH-Kriterium nicht erfüllt. Die AUDI AG hat gegen beide Bescheide Widerspruch eingelegt, sodass die Bescheide nicht bestandskräftig sind. Das KBA erließ entsprechende Bescheide im Dezember 2023 gegen die Porsche AG und im Januar 2024 gegen die Volkswagen AG. Die Porsche AG und die Volkswagen AG legten Widerspruch gegen den jeweiligen Bescheid ein. Der Volkswagen Konzern hatte bereits zuvor damit begonnen, Softwareupdates zur Anpassung des Thermofensters an das neue verkehrstechnische Kriterium des EuGH auszurollen, und setzt dies weiter fort.
Das Verwaltungsgericht Schleswig gab Ende Februar 2023 einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das KBA erstinstanzlich statt und hob den Freigabebescheid für ein Softwareupdate für bestimmte ältere Modelle des Golf Plus auf, soweit dieser das Thermofenster, die Höhenkorrektur und die Taxischaltung als zulässigen Abschalteinrichtungen einstufte. Mit Höhenkorrektur wird eine höhenabhängige Abgasrückführung bezeichnet. Unter Taxischaltung ist eine von der Zeitspanne eines im Leerlauf betriebenen Fahrzeugs abhängige Abgasrückführung zu verstehen. Die Volkswagen AG ist Beigeladene in dem Verfahren. Die Volkswagen AG und das KBA legten Ende April 2023 Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig ein. Die Entscheidung ist damit nicht rechtskräftig. Die DUH reichte beim Verwaltungsgericht Schleswig zwei weitere Klagen ein. Die erste Klage richtet sich gegen Freigabebescheide für weitere mit Motoren des Typs EA 189 sowie mit ausgewählten V-TDI-Motoren ausgestattete Fahrzeuge der Marken Audi und Porsche, die zweite Klage richtet sich gegen sämtliche Euro-5 und Euro-6b/c Dieselfahrzeuge des Konzerns. Im ersten Verfahren übertrug das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Urteil aus Januar 2024 seine Ausgangsentscheidung vom Februar 2023 auf weitere Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189 und hob die Freigabebescheide des KBA für diese Fahrzeuge auf. Gegen das Urteil wurden die Berufung sowie die Sprungrevision zugelassen. Die Entscheidung ist damit nicht rechtskräftig.
Zudem laufen im Zusammenhang mit der Dieselthematik international weitere Verwaltungsverfahren. Die Gesellschaften des Volkswagen Konzerns kooperieren mit den staatlichen Behörden.
Darüber hinaus können sich Risiken aus möglichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu der Aus-legung der EU-Typgenehmigungsvorschriften ergeben.
Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe aus Straf- und Verwaltungsverfahren am Ende Geldbußen oder sonstige Konsequenzen für das Unternehmen resultieren, unterliegt zum aktuellen Zeitpunkt Einschätzungsrisiken. In der Mehrheit der Verfahren schätzt Volkswagen die Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung mit nicht über 50 % ein. Für diese Fälle wurden Eventualverbindlichkeiten angegeben, soweit sie bewertbar sind und die Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung nicht niedriger als 10 % eingeschätzt wurde.
2. Produktbezogene Klagen weltweit (exklusive USA/Kanada)
In betroffenen Märkten besteht grundsätzlich die Möglichkeit von zivilrechtlichen Klagen von Kunden oder die Geltendmachung von Regressansprüchen von Importeuren und Händlern gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns. Dabei gibt es neben der Möglichkeit individueller Klagen in verschiedenen Jurisdiktionen auch unterschiedliche Formen von Sammelverfahren, das heißt der kollektiven oder stellvertretenden Geltendmachung von Individualansprüchen. Des Weiteren besteht in einigen Märkten die Möglichkeit, dass Verbraucher- und/oder Umweltverbände vermeintliche Unterlassungs-, Feststellungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen.
Sammelverfahren von Kunden sowie Klagen von Verbraucher- und/oder Umweltverbänden waren im Berichtsjahr gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns in verschiedenen Ländern wie beispielsweise Belgien, Brasilien, Deutschland, England und Wales sowie Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und Südafrika anhängig. Mit ihnen wurden unter anderem behauptete Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Insbesondere waren die nachfolgenden Verfahren anhängig:
In Belgien ist eine Sammelklage der belgischen Verbraucherorganisation Test Aankoop VZW anhängig, mit der diese die Rückzahlung des Kaufpreises oder hilfsweise die Zahlung von Schadensersatz begehrt und für die der Opt-Out-Mechanismus für anwendbar erklärt wurde. Aufgrund des Opt-Out-Mechanismus sind potenziell alle Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189 erfasst, die nach dem 1. September 2014 von Verbrauchern im belgischen Markt erworben wurden, es sei denn, es wird aktiv der Austritt aus der Sammelklage erklärt. Im Juli 2023 erging in der Sammelklage ein erstinstanzliches Urteil, mit dem die Volkswagen AG zur Zahlung von 5 % des Kaufpreises beziehungsweise 5 % der Differenz zwischen Kaufpreis und Wiederverkaufspreis verurteilt wurde, wenn ein Verbraucher ein Fahrzeug mit dem Motortyp EA 189 zwischen 1. September 2014 und 22. September 2015 erworben hat, er das Softwareupdate nicht aufgespielt hat und relevante Unterlagen zum Nachweis vorlegen kann. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
In Brasilien sind zwei verbraucherrechtliche Sammelklagen anhängig. Im ersten Sammelklageverfahren, das sich auf rund 17 Tsd. Amarok-Fahrzeuge bezieht, erging im Mai 2019 ein Berufungsurteil, mit dem die Schadensersatzverpflichtung von Volkswagen do Brasil deutlich auf zunächst rund 172 Mio. BRL reduziert wurde. Im August 2022 wurde die Revision von Volkswagen do Brasil gegen dieses Urteil durch den Superior Court of Justice teilweise zurückgewiesen. Auf das von Volkswagen do Brasil dagegen eingelegte Rechtsmittel hin hob der Superior Court of Justice die eigene Entscheidung vollumfänglich wieder auf. Das Verfahren wurde bezüglich Teilaspekten an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Volkswagen do Brasil hat die Möglichkeit, neues Beweismaterial einzuführen. Das Urteil ist vollstreckbar, aber weiterhin nicht rechtskräftig. In der zweiten Sammelklage, die rund 67 Tsd. Amarok-Fahrzeuge einer späteren Generation betrifft, wies das Berufungsgericht im Juni 2023 das Rechtsmittel der Klägerin gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil aus Oktober 2021 zurück. Die Klägerin legte daraufhin Revision beim Superior Court of Justice ein.
Die financialright GmbH hatte ursprünglich vor mehreren deutschen Gerichten rund 45 Tsd. an sie abgetretene Ansprüche von Kunden aus Deutschland, Slowenien und der Schweiz gegen Gesellschaften des Volkswagen Konzerns gebündelt geltend gemacht; zwischenzeitlich bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die Zulässigkeit des Geschäftsmodells der financialright GmbH. Nach zahlreichen Antragsrücknahmen sind derzeit noch rund 9 Tsd. Ansprüche streitgegenständlich. Für den Fall, dass werthaltige Ansprüche erneut außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemacht werden, wurden Rückstellungen gebildet.
In England und Wales wurden Ende 2021 Klagen gegen die Volkswagen AG, die Volkswagen Financial Services (UK) Limited und andere Unternehmen des Volkswagen Konzerns im Zusammenhang mit bestimmten Dieselfahrzeugen, die seit 2009 in England, Wales und Nordirland geleast oder verkauft wurden und verschiedene andere Dieselmotoren betreffen, bei Gericht eingereicht. Diese Klagen befinden sich in einem sehr frühen Verfahrensstadium. Die vollständige Klagebegründung wurde bisher keiner Konzerngesellschaft förmlich zugestellt und eine Reihe von Forderungen der Kläger ist noch nicht im Einzelnen konkretisiert.
In Frankreich ist eine Sammelklage der französischen Verbraucherorganisation Confédération de la Consommation, du Logement et du Cadre de Vie (CLCV) für bis zu 1 Mio. französische Eigentümer und Leasingnehmer von Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 gegen die Volkswagen Group Automotive Retail France, die Volkswagen Group France und die Volkswagen AG anhängig. Es handelt sich um eine Opt-In-Sammelklage, CLCV macht hauptsächlich die Rückabwicklung ohne Nutzungsersatz, hilfsweise Schadensersatz von 20-30% des Kaufpreises geltend.
In Italien erging im Juli 2021 ein klagestattgebendes erstinstanzliches Urteil in der Sammelklage des Verbraucherverbands Altroconsumo stellvertretend für italienische Kunden vor dem Regionalgericht Venedig, wonach die Volkswagen AG und Volkswagen Group Italia rund 63 Tsd. Verbrauchern Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 185 Mio. € zu zahlen haben. Auf die Berufung der Volkswagen AG und Volkswagen Group Italia hin wurde das Urteil überwiegend aufgehoben. Danach erhalten die wirksam zur Sammelklage angemeldeten Verbraucher jeweils lediglich 300 € pro Kopf.
In den Niederlanden ist eine auf Feststellung gerichtete Sammelklage der Stichting Volkswagen Car Claim mit Opt-Out-Mechanismus für bis zu 201 Tsd. Kunden anhängig. Im Juli 2021 erging ein teilweise stattgebendes erstinstanzliches Feststellungsurteil. Nach Auffassung des Gerichts haben die Volkswagen AG und die anderen beklagten Konzerngesellschaften in Bezug auf die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware unrechtmäßig gehandelt. Zudem stellte das Gericht fest, dass Verbrauchern gegenüber den beklagten Händlern ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises zusteht. Aus dem Feststellungsurteil resultieren keine konkreten Zahlungsverpflichtungen. Mögliche individuelle Ansprüche müssten im Anschluss in einem separaten Prozess durchgesetzt werden. Die Volkswagen AG und die anderen beklagten Konzerngesellschaften legten gegen das Urteil Berufung ein. Darüber hinaus ist eine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Sammelklage der Diesel Emissions Justice Foundation (DEJF) mit Opt-Out-Mechanismus für niederländische Verbraucher anhängig, die unter anderem Fahrzeuge des Motortyps EA 189 betrifft. Im März 2022 erließ das Gericht in erster Instanz ein Zwischenurteil und stellte darin fest, dass das neue Sammelklageregime, wonach nicht nur die Feststellung von Ansprüchen, sondern auch die Zahlung von Schadensersatz geltend gemacht werden kann, auf dieses Verfahren nicht anwendbar sei. Zudem sei das Gericht in Amsterdam für Klagen von Verbrauchern außerhalb der Niederlande nicht zuständig. Nachdem die DEJF ihre ursprünglich unbeschränkte Berufung gegen das Urteil im Berichtsjahr ausschließlich auf die Anwendbarkeit des neuen Sammelklageregimes beschränkte, ist die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf seine Unzuständigkeit für Klagen von Verbrauchern außerhalb der Niederlande final und bindend. Das Gericht setzte das übrige Verfahren in erster Instanz bis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichts aus.
In Portugal war eine Sammelklage mit Opt-Out-Mechanismus durch eine portugiesische Verbraucherorganisation anhängig, die potenziell bis zu circa 70 Tsd. Fahrzeuge des Motortyps EA 189 von der Sammelklage betraf. Im Juli 2023 wies der Supreme Court die Sammelklage mangels Klagebefugnis der klagenden Verbraucherorganisation als unzulässig ab. Das Urteil ist seit September 2023 rechtskräftig.
In Südafrika ist eine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Sammelklage mit Opt-Out-Mechanismus anhängig, die rund 80 Tsd. Fahrzeuge, unter anderem des Motortyps EA 189 betrifft.
Darüber hinaus sind Einzelklagen und ähnliche Verfahren gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns in zahlreichen Ländern anhängig, die meist auf Schadensersatz oder Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtet sind.
In Deutschland sind derzeit rund 25 Tsd. meist auf Schadensersatz oder Rückabwicklung gerichtete Einzelklagen im Zusammenhang mit verschiedenen Dieselmotortypen gegen die Volkswagen AG oder andere Konzerngesellschaften anhängig.
Der BGH klärte im Jahr 2020 in mehreren Grundsatzurteilen wesentliche Rechtsfragen für die noch anhängigen Verfahren betreffend Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189. Der BGH entschied, dass Käufer eines vor Bekannt-werden der Dieselthematik erworbenen Fahrzeugs gegen Anrechnung des gezogenen Nutzungsvorteils und Fahrzeugrückgabe an die Volkswagen AG Erstattung des gezahlten Kaufpreises verlangen können. Keine deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche bestanden hingegen, wenn Käufer das Fahrzeug nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 erworben haben oder Ansprüche allein aufgrund einer temperaturabhängigen Abgasrückführung (sogenanntes Thermofenster) geltend machen. Im Februar 2022 entschied der BGH in weiteren Grundsatzurteilen betreffend Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189, dass Käufern von Neuwagen der Marke Volkswagen nach Ablauf der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist ein Restschadensersatzanspruch gegen die Volkswagen AG zusteht, nachdem er zuvor einen solchen Anspruch für Gebrauchtwagenkäufer verneint hatte. Der BGH entschied, dass sich Käufer die gezogenen Nutzungsvorteile anrechnen lassen müssen und eine Zahlung nur gegen Rückgabe der Fahrzeuge und Abzug der Händlermarge verlangen können. In einem weiteren Grundsatzurteil aus Juli 2022 entschied der BGH betreffend Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189, dass Käufern von Neufahrzeugen anderer Konzernmarken kein Anspruch auf Restschadensersatz gegen die Volkswagen AG zustehe.
Ende Juni 2023 verkündete der BGH Urteile in Verfahren gegen die Volkswagen AG und AUDI AG, in denen es um die Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH zu möglichen Ansprüchen von Käufern aus dem europäischen Typgenehmigungsrecht in deutsches Recht geht. Der BGH entschied, dass Klägern beim fahrlässigen Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein deliktischer Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens von 5 % bis 15 % des Kaufpreises grundsätzlich zusteht. Ob dieser Anspruch im Einzelfall vorliegt, müssen die Berufungsgerichte klären. Der BGH führte aus, dass es für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ohne Bedeutung sei, ob die Grenzwerte im NEFZ-Testverfahren auch bei veränderter Funktion eingehalten würden. Nach dem BGH entfällt die Haftung, wenn den Hersteller kein Verschulden trifft, etwa weil die zuständige Behörde die Abschalteinrichtung in ihrer konkreten Ausgestaltung und unter Berücksichtigung festgestellter Kombinationen von Abschalteinrichtungen genehmigt hat oder auf Nachfrage genehmigt hätte. Im Falle eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens muss sich der Käufer zudem Nutzungsvorteile und den Wert des Fahrzeugs anrechnen lassen, soweit diese den geminderten Wert des Fahrzeugs übersteigen. Auch ein durchgeführtes Softwareupdate kann schadensmindernd zu berücksichtigen sein.
In der weit überwiegenden Zahl der Sammelverfahren von Kunden und Klagen von Verbraucher- und/oder Umweltverbänden und der Einzelklageverfahren wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der Kläger von Volkswagen auf nicht über 50 % eingeschätzt. Für diese Verfahren werden Eventualverbindlichkeiten angegeben, soweit sie bewertbar und die Erfolgsaussichten nicht als unwahrscheinlich einzuschätzen sind. Aufgrund des frühen prozessualen Stadiums lässt sich ein realistisches Belastungsrisiko in einigen Fällen noch nicht beziffern. Darüber hinaus wurden, basierend auf der aktuellen Bewertung, soweit erforderlich Rückstellungen gebildet.
In welcher Größenordnung und mit welchen Erfolgsaussichten Kunden zukünftig über die bestehenden Klagen hinaus von der Möglichkeit einer Klageerhebung Gebrauch machen, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.
3. Anlegerklagen weltweit (exklusive USA/Kanada)
Anleger aus Deutschland und dem Ausland haben gegen die Volkswagen AG, teilweise zusammen mit der Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) als Gesamtschuldner, Schadensersatzklagen wegen behaupteter Kursverluste in Folge angeblichen Fehlverhaltens bei der Kapitalmarktkommunikation im Zusammenhang mit der Dieselthematik erhoben.
Fast alle Anlegerklagen sind derzeit beim Landgericht Braunschweig oder beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängig. Im August 2016 beschloss das Landgericht Braunschweig die Vorlage von gemeinsamen Sachverhalts- und Rechtsfragen mit Relevanz für die in Braunschweig anhängigen Anlegerklagen an das Oberlandesgericht Braunschweig zum Erlass von Musterentscheiden nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). Die gegen die Volkswagen AG in Deutschland anhängigen Anlegerklagen werden bis zur Entscheidung über die vorgelegten Fragen ausgesetzt, sofern sie nicht aus Gründen abgewiesen werden können, die unabhängig von den im Musterverfahren zu entscheidenden Fragen sind. Die Entscheidung über die gemeinsamen Sachverhalts- und Rechtsfragen im Musterverfahren ist für die anhängigen Klagen verbindlich, soweit sie ausgesetzt wurden. Musterklägerin ist die Deka Investment GmbH. Die mündliche Verhandlung im Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig begann im September 2018. Das Oberlandesgericht Braunschweig nahm in mehreren Hinweisbeschlüssen zu einigen grundsätzlichen Rechtsfragen der Auseinandersetzung Stellung. Im Juli 2023 erließ das Oberlandesgericht Braunschweig einen Beweisbeschluss und ordnete die Vernehmung zahlreicher Personen sowie die Vorlage und Beiziehung von Urkunden an. Die angeordnete Beweiserhebung konzentriert sich zunächst auf die Frage der, nach dem Erkenntnisstand der Volkswagen AG fehlenden, Kenntnis des Konzernvorstands, einzelner Konzernvorstandsmitglieder und/oder einzelner Mitglieder der Ad-hoc-Clearingstelle der Volkswagen AG (nach Auffassung des Senats die ad-hoc-verantwortlichen Personen) über den Einbau von nach US-Recht unzulässigen Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen der Volkswagen AG sowie die Vorstellungen dieses Personenkreises über etwaige Kursauswirkungen der ihnen jeweils vorliegenden Informationen. Teilweise trägt die Volkswagen AG die Beweislast. Die Vernehmungen begannen im September 2023. Bisher bekundete keiner der vernommenen Zeugen eine eigene Kenntnis oder eine Kenntnis von ad-hoc-verantwortlichen Personen. Mehrere Zeugen machten ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend. In einigen Fällen (keine ad-hoc-verantwortlichen Personen) bejahte das Oberlandesgericht Braunschweig ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. Die Auswirkungen der Zeugnisverweigerung vor dem Hintergrund der Beweislast der Volkswagen AG lassen sich nicht abstrakt beurteilen. Das Oberlandesgericht Braunschweig wird gemäß § 286 Zivilprozessordnung nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden haben.
Am Landgericht Stuttgart sind weitere Anlegerklagen gegen die Volkswagen AG, teilweise zusammen mit der Porsche SE als Gesamtschuldner, anhängig. Am Oberlandesgericht Stuttgart war ein weiteres Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Porsche SE anhängig, an dem die Volkswagen AG als Nebenintervenientin beteiligt ist. Zur Musterklägerin war das Wolverhampton City Council, Administrating Authority for the West Midlands Metropolitan Authorities Pension Fund bestimmt worden. Das Oberlandesgericht Stuttgart erließ Ende März 2023 einen Musterentscheid. Auf Basis der im Musterentscheid getroffenen Feststellungen und des gegenwärtigen Stands des Prozessinhalts in den Ausgangsverfahren wären im Ergebnis alle ausgesetzten Anlegerklagen gegen die Porsche SE abzuweisen. Der Musterentscheid ist nicht rechtskräftig. Gegen den Musterentscheid legten die Musterklägerin, mehrere Beigeladene und die Porsche SE Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Die Volkswagen AG trat der Rechtsbeschwerde der Porsche SE als Streithelferin bei.
Insgesamt sind gegen die Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik weltweit (exklusive USA/Kanada) derzeit Anlegerklagen, gerichtliche Mahn- und Güteanträge sowie Anspruchsanmeldungen nach dem KapMuG mit geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von circa 9,2 Mrd. € rechtshängig. Bislang wurden Klagen in Höhe eines hohen dreistelligen Millionenbetrags zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen. Die Volkswagen AG ist unverändert der Auffassung, ihre kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben, so dass für diese Anlegerklagen keine Rückstellungen gebildet wurden. Soweit die Erfolgsaussichten nicht niedriger als 10 % eingeschätzt wurden, wurden Eventualverbindlichkeiten angegeben.
4. Verfahren in den USA/Kanada
In den USA und Kanada sind die in den „Notices of Violation“ der EPA beschriebenen Vorgänge Gegenstand von Klagen und Auskunftsersuchen verschiedener Art, die insbesondere von Kunden, Investoren sowie verschiedenen Behörden in den USA und Kanada gegen die Volkswagen AG und weitere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns gerichtet sind.
Im November 2023 erzielte Volkswagen eine Vergleichsvereinbarung zur Beilegung der umweltrechtlichen Klagen des Attorney General des US-Bundesstaates Texas und einiger Kommunen in Texas gegen die Volkswagen AG, Volkswagen Group of America, Inc. und bestimmte verbundene Unternehmen. Nachdem das Gericht den Vergleich genehmigt hatte, wurde er im Januar 2024 rechtskräftig. Ebenfalls im November 2023 schloss Volkswagen einen Vergleich zur Beilegung der umweltrechtlichen Klagen zweier Kommunen (Hillsborough County/Florida, und Salt Lake County/Utah) gegen die Volkswagen Group of America, Inc. und bestimmte verbundene Unternehmen.
Im März 2019 reichte die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission – SEC) unter anderem gegen die Volkswagen AG, die Volkswagen Group of America Finance, LLC sowie die VW Credit, Inc. eine Klage ein, in der Ansprüche nach US-Bundeswertpapierrecht unter anderem aufgrund vermeintlich unrichtiger und unvollständiger Angaben im Zusammenhang mit dem Angebot und Verkauf bestimmter Anleihen und Asset Backed Securities geltend gemacht werden. Im August 2020 wies das US District Court des Northern District von Kalifornien unter anderem sämtliche im Zusammenhang mit Asset Backed Securities geltend gemachten Forderungen gegen VW Credit, Inc. ab. Im September 2020 reichte die SEC eine überarbeitete Klageschrift ein, in der neben weiteren Änderungen die abgewiesenen Forderungen nicht mehr enthalten sind.
Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Verfahren in den USA/Kanada werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.
5. Sonderprüfung
Mit Beschluss aus November 2017 ordnete das Oberlandesgericht Celle auf Antrag dreier US-Fonds die Einsetzung eines Sonderprüfers bei der Volkswagen AG an. Der Sonderprüfer sollte prüfen, ob die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik seit dem 22. Juni 2006 ihre Pflichten verletzt haben und der Volkswagen AG hieraus ein Schaden entstanden ist. Die Volkswagen AG hatte gegen diese ursprünglich formal rechtskräftige Entscheidung Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Auch gegen die weitere, ursprünglich ebenfalls formal rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, einen anderen als den zunächst bestellten Sonderprüfer zu bestellen, hatte die Volkswagen AG Verfassungsbeschwerde erhoben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit im November 2022 bekanntgegebenen Beschlüssen den beiden Verfassungsbeschwerden stattgegeben und die Verfahren an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen hatte, ordnete das Oberlandesgericht im Verfahren über die Anordnung einer Sonderprüfung einen umfassenden Beweisbeschluss an. Das Verfahren über den Austausch des Sonderprüfers wurde bis zum Abschluss der Beweiserhebung ausgesetzt. Daneben hatte die Volkswagen AG beim Landgericht Braunschweig eine Unterlassungsklage gegen den Sonderprüfer mit dem Antrag erhoben, dass die Sonderprüfung nicht durchgeführt wird, solange der Sonderprüfer seine Unabhängigkeit nicht hinreichend nachgewiesen hat. Das Landgericht Braunschweig wies die Unterlassungsklage im Sommer 2022 ab, die Volkswagen AG legte daraufhin Berufung beim Oberlandesgericht Braunschweig ein.
Beim Landgericht Hannover wurde ein zweiter Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers bei der Volkswagen AG gestellt, der ebenfalls auf die Prüfung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Dieselthematik gerichtet ist. Dieses Verfahren wurde wieder aufgenommen, nachdem es zunächst bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Sonderprüfungsverfahren ruhend gestellt war.
6. Bewertung der Risiken aus der Dieselthematik
Zur Absicherung der derzeit bekannten Rechtsrisiken im Zusammenhang mit der Dieselthematik enthalten die Rückstellungen für Prozess- und Rechtsrisiken zum 31. Dezember 2023 auf Basis des gegenwärtigen Kenntnisstands und aktueller Einschätzungen einen Betrag von rund 0,9 Mrd. € (Vorjahr: 1,4 Mrd. €). Soweit bereits hinreichend bewertbar, wurden im Zusammenhang mit der Dieselthematik insgesamt Eventualverbindlichkeiten in Höhe von 4,0 Mrd. € (Vorjahr: 4,2 Mrd. €) im Anhang angegeben, auf die Anlegerverfahren in Deutschland entfallen davon rund 3,8 Mrd. € (Vorjahr: 3,6 Mrd. €). Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsaufklärung sowie der Vielschichtigkeit der einzelnen Einflussfaktoren und der noch andauernden Abstimmungen mit den Behörden unterliegen die im Zusammenhang mit der Dieselthematik gebildeten Rückstellungen sowie die angegebenen Eventualverbindlichkeiten und die weiteren latenten Rechtsrisiken zum Teil erheblichen Einschätzungsrisiken. Sollten sich diese Rechts- beziehungsweise Einschätzungsrisiken verwirklichen, kann dies zu weiteren erheblichen finanziellen Belastungen führen. Insbesondere lässt sich nicht ausschließen, dass aufgrund von zukünftigen Erkenntnissen oder Ereignissen die gebildeten Rückstellungen möglicherweise angepasst werden müssen.
Weitergehende Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Dieselthematik werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.
Weitere wesentliche Rechtsstreitigkeiten
Die ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt) hat im Jahr 2011 eine Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG und die Porsche SE wegen vermeintlicher Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätsvorschriften im Zusammenhang mit dem Erwerb von Stammaktien der Volkswagen AG durch die Porsche SE im Jahr 2008 erhoben. Eingeklagt waren zuletzt, aus angeblich abgetretenem Recht, circa 2,26 Mrd. €. Ende September 2022 hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle in einem Musterverfahrensentscheid sämtliche von den Klägern beantragten Feststellungsziele zurückgewiesen oder für gegenstandslos erklärt. Damit wurde den Musterbeklagten vollumfänglich Recht gegeben. Gegen den Musterverfahrensentscheid gingen zwei Rechtsbeschwerden ein, von denen sich eine auch gegen die Volkswagen AG richtet.
In Brasilien leitete die brasilianische Finanzverwaltung ein Steuerverfahren gegen Volkswagen Truck & Bus (vormals: MAN Latin America) ein, in dem es um die Bewertung steuerlicher Auswirkungen der in 2009 gewählten Erwerbsstruktur für Volkswagen Truck & Bus geht. Im Dezember 2017 erging im sogenannten Administrative Court Verfahren ein zweitinstanzliches, für Volkswagen Truck & Bus negatives Urteil. Gegen dieses Urteil erhob Volkswagen Truck & Bus vor dem regulären Gericht in 2018 Klage. Die betragsmäßige Abschätzung des Risikos für den Fall, dass sich die Finanzverwaltung insgesamt mit ihrer Auffassung durchsetzen könnte, ist aufgrund der Verschiedenheit der gegebenenfalls nach brasilianischem Recht zur Anwendung kommenden Strafzuschläge nebst Zinsen mit Unsicherheit behaftet. Es wird jedoch weiterhin mit einem für Volkswagen Truck & Bus positiven Ausgang gerechnet. Für den gegenteiligen Fall könnte sich ein Risiko von rund 3,4 Mrd. BRL für den streitgegenständlichen Gesamtzeitraum ab 2009 ergeben, das im Anhang innerhalb der Eventualverbindlichkeiten angegeben wurde.
Nachdem Volkswagen do Brasil in Brasilien erfolgreich gegen eine von der brasilianischen Bundesregierung vorgenommene und verfassungsgerichtlich für unzulässig erachtete Doppelbesteuerung von Fahrzeugen geklagt hatte, erstattete der Staat Brasilien Volkswagen do Brasil den überzahlten Betrag. Im Dezember 2023 verklagten unter anderem der brasilianische Händlerverband Associação Brasileira Dos Distribuidores Volkswagen (Assobrav) und einzelne Händler Volkswagen do Brasil mit der Begründung, dass die Händler mindestens teilweise Anspruch auf den erstatteten Betrag hätten. Es sind acht Klagen anhängig. Die Klage von Assobrav ist mit einem vorläufig geschätzten Streitwert von etwa 2,4 Mrd. BRL betragsmäßig mit Abstand die größte der Klagen. Im Januar 2024 wies das Gericht die Klage des Händlerverbands in vollem Umfang ab. Assobrav kann gegen die Klageabweisung Rechtsmittel einlegen, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Europäische Kommission führte im Jahr 2011 Durchsuchungen bei europäischen Lkw-Herstellern wegen des Verdachts eines unzulässigen Informationsaustauschs im Zeitraum zwischen 1997 und 2011 durch und übermittelte im November 2014 in diesem Zusammenhang MAN, Scania und den übrigen betroffenen Lkw-Herstellern die sogenannten Beschwerdepunkte. Mit ihrer Vergleichsentscheidung im Juli 2016 verhängte die Europäische Kommission gegen fünf europäische Lkw-Hersteller Geldbußen. Da MAN die Europäische Kommission als Kronzeuge über die Unregelmäßigkeiten informiert hatte, wurde MAN die Geldbuße vollständig erlassen. Im September 2017 verhängte die Europäische Kommission gegen Scania eine Geldbuße von 0,88 Mrd. €. Das Gericht der Europäischen Union (Gericht erster Instanz) lehnte die von Scania in diesem Zusammenhang eingelegten Rechtsmittel in einem Urteil im Februar 2022 vollinhaltlich ab. Im Februar 2024 wies der Europäische Gerichtshof das von Scania im April 2022 gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel in vollem Umfang letztinstanzlich zurück. Darüber hinaus sind Kartellschadensersatzklagen von Kunden eingegangen. Wie in jedem Kartellverfahren können weitere Schadensersatzklagen folgen. Für einen Großteil der genannten Rechtsstreitigkeiten wurden keine Rückstellungen gebildet, da nicht von einer abschließenden, letztinstanzlichen Verurteilung auf Zahlung von Schadensersatz ausgegangen wird. Für diejenigen Verfahren, in denen infolge einer Neubewertung der Risiken mehr für eine abschließende, letztinstanzliche Entscheidung, nach der MAN oder Scania Schadensersatz zahlen müsste, spricht als dagegen, wurden Rückstellungen in Höhe von 89 Mio. € gebildet. Eventualverbindlichkeiten wurden nicht angegeben, da eine Quantifizierung derzeit nicht möglich ist. Dies betrifft insbesondere die Verfahren, die sich aktuell in einem frühen Stadium befinden – einschließlich solcher, die sich noch im frühen Stadium der sachverständigen Begutachtung befinden.
Im Juli 2021 hatte die Europäische Kommission gegen die Volkswagen AG, die AUDI AG und die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG im Rahmen einer Settlement-Entscheidung ein Gesamtbußgeld in Höhe von rund 502 Mio. € verhängt. Volkswagen verzichtete auf die Einlegung von Rechtsmitteln, sodass die Entscheidung 2021 rechtskräftig geworden ist. Der Gegenstand der Entscheidung beschränkt sich inhaltlich auf die Kooperation deutscher Automobilhersteller zu einzelnen technischen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Einführung von SCR (Selective Catalytic Reduction)-Systemen für Pkw, die im Europäischen Wirtschaftsraum verkauft worden sind. Andere Verhaltensweisen wie Preisabsprachen oder die Aufteilung von Märkten und Kunden werden den Herstellern nicht vorgeworfen. Im Nachgang zur Bußgeldentscheidung der Europäischen Kommission aus Juli 2021 wurden im Vereinigten Königreich ab Ende 2021 mehrere Sammelklagen unter anderem gegen die Volkswagen AG eingereicht. Mit einer Zustellung der Klagen wird im Laufe des Jahres 2024 gerechnet. Es wurden weder Rückstellungen noch Eventualverbindlichkeiten angegeben, da eine realistische Risikoeinschätzung im aktuellen Verfahrensstadium nicht möglich ist. Die Koreanische Wettbewerbsbehörde KFTC hatte mögliche Verstöße auf der Grundlage des EU-Sachverhalts analysiert und gab im April 2023 ihre Bußgeldentscheidung bekannt. Gegen die Volkswagen AG wurde kein Bußgeld verhängt und die Porsche AG ist nicht von der Entscheidung betroffen. Gegen die AUDI AG wurde ein Bußgeld von umgerechnet knapp 3 Mio. € verhängt. Die AUDI AG und die Volkswagen AG legten vor dem zuständigen Gericht in Seoul/Korea Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein. Die türkische Wettbewerbsbehörde, die ähnliche Sachverhalte untersucht hatte, erließ im Januar 2022 ihre finale Entscheidung und stellte fest, dass angebliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen vorliegen, die sich aber nicht auf die Türkei ausgewirkt haben, weshalb von der Verhängung von Bußgeldern gegen die deutschen Automobilhersteller abgesehen wurde. Eine rechtskräftige Entscheidungsbegründung liegt noch nicht vor. Die Volkswagen AG, AUDI AG und Porsche AG legten Rechtsmittel ein. Die chinesische Wettbewerbsbehörde eröffnete wegen vergleichbaren Sachverhalten Verfahren unter anderem gegen die Volkswagen AG, AUDI AG und Porsche AG und erließ Auskunftsersuchen.
Die Europäische Kommission und die englische Kartellbehörde Competition and Markets Authority (CMA) durchsuchten im März 2022 verschiedene Automobilhersteller und Verbände der Automobilbranche beziehungsweise stellten förmliche Auskunftsverlangen zu. Im Volkswagen Konzern sind die Volkswagen Group UK, die von der CMA durchsucht wurde, sowie die Volkswagen AG, die ein konzernweites Auskunftsersuchen der Europäischen Kommission erhalten hat, betroffen. Überprüft wird der Verdacht, dass europäische, japanische und koreanische Hersteller sowie die in den Ländern agierenden nationalen Verbände und der europäische Verband European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) sich seit 2001 beziehungsweise 2002 und bis zur Eröffnung der Verfahren dazu verständigt haben sollen, für Dienstleistungen von Recycling-Unternehmen, die „End-of-Life Vehicles“ (ELV) (konkret Pkw und Vans bis zu 3,75 t) entsorgen, nicht zu bezahlen. Zusätzlich soll eine Abstimmung dazu erfolgt sein, dass ELV-Themen nicht wettbewerblich genutzt werden sollen, also keine Veröffentlichungen zu Wettbewerbszwecken zu relevanten Recycling-Daten (recyclates, recyclability, recovery) erfolgen. Die untersuchte Zuwiderhandlung soll sich insbesondere in der ACEA Working Group Recycling sowie zugehöriger Unterarbeitsgruppen ereignet haben. Die Volkswagen AG beantwortet die Auskunftsersuchen der Europäischen Kommission. Volkswagen Group UK kooperiert mit der CMA. Zudem richtete die CMA in dieser Angelegenheit Auskunftsverlangen an die Volkswagen AG. Die Volkswagen AG reichte gegen die Auskunftsersuchen der CMA im Juli 2022 Klage (judical review) ein, weil die CMA nach Auffassung der Volkswagen AG mit den Auskunftsersuchen insbesondere ihre Kompetenzen überschreitet. Dieser Klage gab das Gericht im Februar 2023 statt. Nachdem die CMA im April 2023 Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatte, entschied das Berufungsgericht im Januar 2024 zugunsten der CMA. Die Volkswagen AG prüft die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung. Parallel prüft die Volkswagen AG unverändert Möglichkeiten einer verhältnismäßigen Kooperation mit der CMA.
Darüber hinaus leiteten wenige nationale und internationale Behörden kartellrechtliche Ermittlungen ein. Volkswagen arbeitet mit den zuständigen Behörden in diesen Untersuchungen eng zusammen; eine Bewertung der zugrunde liegenden Sachverhalte ist aufgrund des frühen Stadiums noch nicht möglich.
Die Porsche AG hat bei Fahrzeugen für verschiedene Märkte weltweit potenzielle regulatorische Themen festgestellt. Diese betreffen Fragen der Zulässigkeit von spezifischen Hard- und Softwarebestandteilen, die in Typisierungsmessungen verwendet wurden. Hierbei kann es in Einzelfällen auch zu Abweichungen von Serienständen gekommen sein. Nach aktuellem Kenntnisstand ist die laufende Produktion jedoch nicht betroffen. Die Themen stehen in keinem Zusammenhang zu den unzulässigen Abschalteinrichtungen, die der Dieselthematik zugrunde lagen. Eine Vielzahl dieser Themen wurde bereits abgeschlossen.
Im November 2021 erhoben drei Anspruchsteller, begleitet von Greenpeace, Klage gegen die Volkswagen AG vor dem Landgericht Braunschweig. Volkswagen sollte verpflichtet werden, unter anderem stufenweise die Produktion und das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu reduzieren und bis 2029 komplett einzustellen sowie Treibhausgasemissionen aus Entwicklung, Produktion und Vertrieb (einschließlich der Nutzung der Fahrzeuge durch Dritte) zu reduzieren. Zusätzlich sollte Volkswagen so Einfluss auf Konzernunternehmen, Beteiligungen und Joint Ventures ausüben, dass diese Forderungen auch von diesen erfüllt werden. Das Landgericht Braunschweig wies die Klage im Februar 2023 als unbegründet ab. Eine weitere Klage gegen die Volkswagen AG mit ähnlichen Klageanträgen und einer weitgehend deckungsgleichen Begründung wurde zudem von einem Biolandwirt, unterstützt durch Greenpeace, beim Landgericht Detmold erhoben. Das Landgericht Detmold wies diese Klage im Februar 2023 ebenfalls als unbegründet ab. Die Kläger legten im März 2023 beim Oberlandesgericht Braunschweig und im April 2023 beim Oberlandesgericht Hamm Berufung gegen die klageabweisenden Urteile ein.
In Russland hatte Automobile Plant GAZ LLC (GAZ) im Berichtszeitraum zunächst in mehreren Gerichtsverfahren unter anderem gegenüber der Volkswagen AG angebliche Schadensersatzforderungen in Höhe von insgesamt rund 44 Mrd. RUB geltend gemacht. Von GAZ in diesem Zusammenhang beantragte und zunächst teilweise verhängte Sicherungsmaßnahmen auf die Gesellschaftsanteile an der Volkswagen Group Rus OOO (VGR) sowie das bewegliche und unbewegliche Vermögen der VGR wurden zwischenzeitlich gerichtlich abgelehnt beziehungsweise aufgehoben. Gegen die Ablehnung beziehungsweise Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen in Bezug auf das bewegliche und unbewegliche Vermögen der VGR hatte GAZ Rechtsmittel eingelegt, die zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen wurden. Im Mai 2023 schloss die Volkswagen AG den Verkauf ihrer Anteile an der VGR und ihren lokalen Tochtergesellschaften an die Art-Finance LLC ab und übertrug das Eigentum an den Anteilen der VGR und ihrer lokalen Tochtergesellschaften mit Registrierung der Transaktion auf die Käuferin. Im Juni 2023 wurde die VGR in AGR LLC umbenannt. In Erfüllung eines vom Gericht bestätigten Vergleichs nahm GAZ im ersten Klageverfahren zwischenzeitlich die Klage zurück und beendete das Verfahren damit. Im verbliebenen zweiten Klageverfahren über angebliche Forderungen in Höhe von rund 28,5 Mrd. RUB verteidigt sich die allein verklagte Volkswagen AG weiter.
Für mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen gegenüber Verbrauchern waren im Bereich der Volkswagen Bank GmbH sowie der Volkswagen Leasing GmbH Rückstellungen zu bilden. Diese betreffen Verfahren bezüglich Gestaltungsaspekten von Kundenkreditverträgen und -leasingverträgen, die sich anlaufhemmend auf die gesetzlichen Widerrufsfristen auswirken können.
Weitergehende Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit den weiteren wesentlichen Rechtsstreitigkeiten werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.