Beschaffung
Die zentrale Aufgabe der Beschaffung ist es entlang der Dimensionen Effizienz, Nachhaltigkeit und Resilienz den Unternehmenserfolg mitzusteuern. Das Jahr 2023 war insbesondere davon geprägt, die Versorgung mit Fahrzeugteilen abzusichern und die Kosten zu optimieren, um einen Beitrag für das Unternehmensergebnis zu leisten. Die Preissteigerungen der Energiekosten aus dem Vorjahr hatten auch im Berichtsjahr Nachholeffekte bei unseren Lieferanten zur Folge. Der Umgang mit den Lieferantenanforderungen zur Sicherstellung der Versorgung unserer Bauteile bildete somit eine wesentliche Aufgabe der Konzern Beschaffung.
Beschaffungsstrategie
Die Beschaffungsorganisationen im Volkswagen Konzern leisten einen integralen Beitrag zur Konzernstrategie NEW AUTO. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, das Beschaffungsnetzwerk zu stärken und die Zusammenarbeit über Marken und Regionen hinweg zu intensivieren. Durch die Nutzung globaler Synergien ergeben sich zudem Potenziale für eine langfristige Reduzierung von Kosten für Rohstoffe, Bauteile und Dienstleistungen.
Die Häufigkeit, Dauer und Intensität von Krisen und die damit verbundenen Störungen der Lieferketten sind seit Beginn der 2020er-Jahre deutlich gestiegen. Als Konsequenz daraus wollen die Beschaffungsorganisationen gemeinsam mit internen Schnittstellenpartnern sowie Zulieferern die Resilienz in der Versorgung stärken. Das Etablieren von Konzepten und Werkzeugen sowie das Bereitstellen zusätzlicher Kapazitäten für Strategie- und Risikoanalysen soll hierbei ein vorausschauendes und vollumfängliches Monitoring der Lieferketten entlang definierter Kriterien, wie politischen Einflussfaktoren, wirtschaftlichen Entwicklungen oder Umweltrisiken, ermöglichen.
Die Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität verlangt von den Beschaffungsorganisationen auch eine Anpassung ihres Zulieferernetzwerks. Die Zusammenarbeit mit diesen Zulieferern soll im Rahmen strategischer Partnerschaften individuell gestaltet werden, wobei die Transformation als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden wird. Der Ausbau von Partnerschaften ist generell ein weiteres Schwerpunktthema in der Beschaffung, sowohl intern in Form von marken- und fachbereichsübergreifender Zusammenarbeit, als auch bezogen auf externe Zulieferer des Volkswagen Konzerns. Fundament für alle strategischen Maßnahmen bilden dabei auch die Digitalisierung und effiziente Prozesse. Insbesondere der Roll-out einer neuen digitalen Zulieferplattform zur Interaktion sowie die im Jahr 2022 erfolgte Anbindung des branchenübergreifenden Datennetzwerk Catena-X sind hier hervorzuheben.
Elektromobilität
Die Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität schreitet mit der technologischen Weiterentwicklung rasant voran. Zentrale Aufgabe der Beschaffung ist es, die dadurch stetig wachsenden Bedarfe nachhaltig und kosteneffizient abzusichern. Nachhaltiges Handeln, transparente Lieferströme sowie energie- und CO2-optimierte Lieferketten sind dabei wesentliche Bestandteile unserer Auftragsvergaben. Unsere Partner begleiten wir mit einer aktiven Steuerung der Lieferantentransformation von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu vollelektrischen Fahrzeugen sowie mit einer nachhaltigen Reduzierung der CO2-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette. Um unserem Unternehmen eine führende Kostenposition zu verschaffen, bündeln wir weltweite Bedarfe aus den Märkten Europa, Nord- und Südamerika und Asien-Pazifik in ganzheitlichen Konzernvergaben. Zur Reduzierung wirtschaftlicher und geopolitischer Risiken achten wir auf diversifizierte Lieferketten in Verbindung mit einer Zwei-Lieferantenstrategie sowie der Lokalisierung des Zuliefererportfolios für alle Kernkomponenten unserer vollelektrischen Fahrzeugflotte.
Digitalisierung der Versorgung
Wir arbeiten daran, eine komplett digitalisierte Lieferkette umzusetzen. Sie soll uns dabei unterstützen, die Versorgung abzusichern und konzernweit Synergien zu heben. Dafür schaffen wir eine gemeinsame Datenbasis und nutzen innovative Technologien, die eine effiziente, vernetzte Zusammenarbeit in Echtzeit ermöglichen – im Konzern wie auch mit unseren Partnern. Im Bereich Beschaffung sollen Transaktionen mit unseren Lieferanten zukünftig standardisiert und – wo möglich – automatisiert werden, um nicht nur Transaktionskosten zu reduzieren, sondern auch Geschäftsprozesse zu beschleunigen. Hierbei ist auch die Einbindung von Catena-X, dem Datennetzwerk der Automobilindustrie, ein wichtiger Baustein. Mögliche Versorgungsrisiken sollen frühzeitiger identifiziert und entsprechende Maßnahmen und Alternativen gemeinsam schneller abgeleitet werden können. Die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie der Beschaffung verfolgen wir, um die Schwächen der IT-Systemlandschaft innerhalb der Beschaffung zu beheben und auch die Effektivität, Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Organisation zu steigern. Die ersten Systeme beziehungsweise Module, wie beispielsweise ein cloudbasiertes Modul zur Automatisierung von Beschaffungsaktivitäten in der Fahrzeugprojektphase und ein anerkanntes Online-Verhandlungs-Tool, wurden bereits implementiert und in die bestehende Systemlandschaft integriert.
Struktur der wichtigsten Einkaufsmärkte
Die Beschaffung des Volkswagen Konzerns steht in der Verantwortung, kosteneffiziente, resiliente und nachhaltige Lieferketten sicherzustellen. Die Beschaffung ist global organisiert und in den wichtigsten Einkaufsmärkten präsent. Neben lokalen Gremien- und Entscheidungsstrukturen werden die Marken und Regionen aus den Bereichen der Konzern Beschaffung geführt. Dies hilft uns einerseits bei der gemeinsamen Umsetzung von Kostenpotenzialen und andererseits bei der Beherrschung von Risiken. Durch die organisierte Vernetzung der Beschaffungsorganisation in den Marken wollen wir in der Lage sein, konzernweite Synergien zu heben und Produktionsmaterial, Sachinvestitionen und Dienstleistungen weltweit in der geforderten Qualität und zu bestmöglichen Konditionen einzukaufen. Zusätzlich zu den Beschaffungseinheiten der Marken betreibt die Beschaffung Regionalbüros in strategischen Einkaufsmärkten. Im Beschaffungsverbund werden dort stetig neue und lokale Lieferanten ermittelt und qualifiziert.
Supply Chain Management der Beschaffung
Innerhalb des Supply Chain Managements der Beschaffung fokussieren wir uns darauf, die Versorgung in Anlaufphasen und im Seriengeschäft abzusichern. Dies umfasst die Begleitung der Industrialisierung bei unseren Lieferanten, die Serienüberwachung sowie das Management von Versorgungskrisen, die zum Beispiel aufgrund von geopolitischen Krisen, wie dem Russland-Ukraine-Konflikt oder durch Naturereignisse wie dem Hochwasser in Slowenien auftreten können. Mit der Einführung des strategischen Halbleiter-Einkaufs richtet sich der Volkswagen Konzern zukünftig bei der Beschaffung dieser elektronischen Komponenten neu aus. Somit will die Beschaffung bei strategisch wichtigen Halbleiterumfängen die direkte Verhandlungsverantwortung übernehmen, um die Versorgung langfristig sicherzustellen und die Wettwerbsfähigkeit sichern zu können.
Bereits in der frühen Phase neuer Projekte führen wir Audits durch, um die Versorgung durch unsere Lieferanten abzusichern. Des Weiteren erfolgt eine Begleitung der Kaufteile entlang der einzelnen Projektmeilensteine bis zum Produktionsstart. Dabei fordern insbesondere komplexe Bauteile immer wieder eine Vor-Ort-Begleitung durch unser Lieferantenmanagement. Abschließend erfolgt eine Abnahme der Produktionskapazitäten, um den Serienanlauf der Fahrzeuge in unseren Werken zeitgerecht zu ermöglichen.
Darüber hinaus erfolgen regelmäßige Überprüfungen im laufenden Serienbetrieb, beispielsweise bezüglich eines fortlaufenden Bedarfs- und Kapazitätsabgleichs oder möglicher Kapazitätsanpassungen bei den Lieferanten. Hierdurch wird auch die Kapazität der Lieferanten bei der Verwendung von bestehenden Bauteilen in Neuprojekten abgesichert.
Komplexen Herausforderungen entlang der Lieferkette können wir durch unsere etablierte Krisenmanagementstruktur und das weltweite Lieferantennetzwerk entgegenwirken und damit auf eine Vielzahl von Standorten und Technologien zurückgreifen. Durch die bereichsübergreifende Arbeit zwischen Beschaffung, Qualitätssicherung, Entwicklung, Produktion und Logistik konnten drohende Verluste durch Versorgungsrisiken weitgehend vermieden sowie in reaktiven Fällen die Produktionsfähigkeit aufrechterhalten werden. Dennoch führte die angespannte Versorgungssituation der globalen Lieferketten zu einer eingeschränkten Fahrzeugverfügbarkeit für die Kunden, wenn auch in geringerem Umfang als im Vorjahr.
Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen
Grundlage erfolgreicher Geschäftsbeziehungen mit unseren Geschäftspartnern bilden die Achtung der Menschenrechte sowie die Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards, ein aktiver Umweltschutz und die Korruptionsbekämpfung. Diese Nachhaltigkeitsstandards sind in den vertraglich verbindlichen „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern (Code of Conduct für Geschäftspartner)“ definiert, die 2023 aktualisiert wurden. Dort ist auch die Erwartung formuliert, dass die Geschäftspartner die dort formulierten Anforderungen entlang der Lieferkette weitergeben. Das Einhalten der Anforderungen wird von uns mithilfe eines Sustainability-Ratings (S-Rating) bei relevanten Gesellschaften und Lieferanten überprüft und ist seit 2019 ausdrücklich vergaberelevant. Die Relevanz eines Geschäftspartners für dieses Rating ergibt sich unter anderem durch die Unternehmensgröße oder die Risikoexposition, die aus der Art der Dienstleistung abgeleitet wird.
In unserem Sustainability-Rating ermitteln wir die Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten mithilfe von Selbstauskünften und risikobasiert mit Audits. Im Berichtsjahr lagen uns 10.912 S-Ratings für Lieferanten vor. Der Umsatzanteil der Lieferanten mit positivem S-Rating entspricht einem Anteil von 79 % des Gesamtbeschaffungsvolumens. Sowohl die Validierung des Fragebogens als auch die Durchführung der Audits erfolgt durch ausgewählte Dienstleister. Erfüllt ein Lieferant unsere Anforderungen zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards nicht, wird in der Regel kein Auftrag vergeben. Die Verknüpfung von Vergabeentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien ist einer der stärksten Hebel, um diese durchzusetzen. Auf bestehende Nachhaltigkeitsrisiken und -verstöße, auch in der vorgelagerten Lieferkette, reagieren wir mit der systematischen Definition und Umsetzung von Maßnahmen, um diese zu minimieren oder abzustellen. Um eine kontinuierliche Lieferantenentwicklung zu ermöglichen, führen wir mit unseren Lieferanten themenspezifische Nachhaltigkeitstrainings und –workshops an ausgewählten Standorten oder online durch und bieten web-based Trainings an. Im Berichtsjahr wurden über 7.700 Lieferanten entsprechend geschult.
Im Bereich Dekarbonisierung verfolgt der Volkswagen Konzern das Ziel, kontinuierlich über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder zu vermeiden. Der Wandel des Konzerns zum Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen, insbesondere der Trend hin zur Elektromobilität, verschiebt den Handlungsbedarf von der Nutzungsphase in die Lieferkette und Herstellung von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen sowie ihre Entsorgung im Anschluss an die Nutzungsphase. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und bekennen uns zum Pariser Klimaschutzabkommen. Im Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) haben wir die Nutzung von unter anderem regenerativer Energie bei Zellherstellern vertraglich verankert. Bei neuen Fahrzeugprojekten werden die CO2-Emissionen in Zukunft zu einem technischen Merkmal für relevante Bauteile für den Volkswagen Konzern. Unsere Lieferanten erhalten demnach verbindliche CO2-Ziele, deren Einhaltung zu jeder Zeit nachweisbar sein muss. Ein Beispiel betrifft die neue Mechatronik-Plattform Scalable Systems Platform (SSP), bei der die Batterien mit einem CO2-Grenzwert versehen sind. Um diese Werte erreichen zu können, müssen die Lieferanten Maßnahmen in ihren eigenen Produktionsprozessen und Vorlieferketten umsetzen, beispielsweise den Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom. Mit Maßnahmen wie diesen soll der CO2-Fußabdruck vieler Elektrofahrzeugmodelle gesenkt werden. Bei den ID.-Modellen setzt die Marke Volkswagen Pkw weitere nachhaltige Bauteile ein, darunter Batteriegehäuse und Felgen aus CO2-reduziertem Aluminium. So soll die CO2-Bilanz der ID.-Familie bis 2025 um rund zwei Tonnen je Fahrzeug verbessert werden.
Im Rahmen unseres nachhaltigen Lieferantenmanagements engagieren wir uns auch für den Schutz derjenigen Gruppen, die entlang unserer Lieferkette einem hohen Risiko potenzieller Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein können. Um in diesem Zusammenhang mehr Wirkung zu erzielen, haben wir im Jahr 2022 das Human-Rights-Focus-System (HRFS) eingeführt. Mit dem HRFS wollen wir Themen identifizieren und bearbeiten, die mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken einhergehen können und einer tiefergehenden Analyse bedürfen. Ziel ist es, auf diese Weise geeignete Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu implementieren, die die vielfältigen und oft strukturellen Ursachen von Menschenrechtsverletzungen berücksichtigen können. Um den teilweise umfangreichen Risiken in den vorgelagerten Rohstofflieferketten zu begegnen, setzten wir 2023 unsere Aktivitäten im Rahmen des Raw-Materials-Due-Diligence-Management-Systems weiter um. Das Management-System umfasst derzeit 18 Hochrisikorohstoffe, zu denen risikobasiert spezifische Maßnahmen zur Identifikation, Bewertung und insbesondere Minderung von Nachhaltigkeitsrisiken eingesetzt werden. Für unsere Batterielieferanten sind Transparenzanforderungen eine wesentliche Grundlage des verantwortungsvollen Rohstoffbezugs. Im Zuge dieser vertraglichen Anforderungen für Neuvergaben verlangen wir zum Beispiel die Offenlegung der gesamten vorgelagerten Lieferkette von unseren Batterielieferanten.
Weiterführende Informationen zum Thema Menschenrechte finden Sie im Konzern-Nachhaltigkeitsbericht 2023 im Kapitel Lieferkette und Menschenrechte.